Ausschluss von Björn Höcke ? Offener Brief unseres Mitglieds Reinhard Gnauck an Uwe Junge

19.Februar 2017

 

Lieber Herr Junge,

Ihren wohlüberlegten Brief vom 18.Februar an uns Mitglieder bezüglich Herrn Höcke habe ich genau gelesen und stimme Ihnen weitgehend zu – allerdings nicht Ihrer Folgerung, ihn per Bundesvorstands-beschluß via Schiedsgericht aus der AfD auszuschließen.

Ja, es geht um nichts weniger als „um die Zukunft unserer AfD“, d.h. ein optimales Wahlergebnis bei der Bundestagswahl im September – wohl die letzte Chance.

Ja, es stimmt, Herr Höcke hat sich mit seinem Temperament und seiner dezidiert nationalen Einstellung, die angesichts des Ernstes der Lage verständlich ist – „Deutschland schafft sich ab“(Sarrazin) – verbal und z.T. inhaltlich verrannt.

Als Realist wie Sie ist mir bekannt, daß das Wahlergebnis bei der Bundestagswahl zum größeren Teil von der schieren Zahl der vorsichtigen, ja schreckhaften Wähler in den alten Bundesländern abhängt – „Keine Experimente“. Aber man sollte nicht unterschätzen, daß es dezidiert national empfindende Wähler auch westlich der früheren Zonengrenze gibt. Viele solcher Wähler und Nichtwähler(!) sind von den bisherigen Versuchen maßlos enttäuscht, ihre Sicht der Dinge endlich einmal in oder neben etablierten Parteien im Bundestag zur Geltung zu bringen.

Wenn wir Volkspartei sein und am 24.September nicht nur die 5%-Hürde überspringen sondern in die Richtung 20% kommen wollen, können wir nicht auf einen bisher vom Parteienkartell im Bundestag verachteten Teil des Volkes reflexartig verzichten, nur weil es von der polit-medialen Machtelite verlangt wird. Machen wir uns nichts vor: der Nächste, der verschwinden muß, wird Herr Gauland sein (weil er die Stirn hatte, Höcke aufzufordern, jetzt für den Bundestag zu kandidieren), dann Poggenburg (zuviel Zustimmung in Sachsen-Anhalt), schließlich Pretzell und Petry selbst …
Auf einzelne Punkte Ihrer Argumentation gehe ich nicht ein. Nur soviel: Wenn Höcke im Überschwang die Junge Alternative auffordert, erst bei 51% Wahlerfolg die Hände in den Schoß zu legen, so überinterpretieren Sie das äußerst negativ als „Weg zur Diktatur“. Haben nicht andere demokratische Parteien in Deutschland jahrelang mit „50% plus“ regiert, ohne daß das als Diktatur bezeichnet werden konnte?

Daher meine Meinung:
Wenn sich der Schiedsausschuß des Landesverbandes Thüringen aus juristischen Gründen (GG Art.5 Meinungsfreiheit) nicht in der Lage sieht, den Ausschluß von Herrn Höcke zu verfügen, sollte dieses Ausschlußverfahren vom Bundesvorstand eingestellt werden. Herr Höcke hat einen Schuß vor den Bug erhalten. Auf den obigen Vorschlag von Herrn Gauland hat er geantwortet, daß er nicht für den Bundestag kandidiert (bereits in Essen hatte er auf Frage von Frau Petry auch nicht für den Bundesvorstand kandidiert). Er ist lediglich Landesvorsitzender in Thüringen und Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag.
Als basisdemokratisch orientierte Parte sollten wir die Thüringer entscheiden lassen, wie sie bei der nächsten Wahl die Leistungen von Herrn Höcke für seine Partei und das Land Thüringen beurteilen.

Sehr geehrter Herr Junge, eine Antwort auf meine Einwände gegen Ihre entgegengesetzte Positionierung in dieser wichtigen Personal- und Richtungsfrage ist nicht notwendig. Die wichtigsten Argumente sind ausgetauscht. Ich erlaube mir jedoch, meine kurze Darstellung in meinem Kreisverband und meinen an der AfD und der Bundestagswahl 2017 interessierten Freunden mitzuteilen.

Mit freundlichem Gruß
Ihr
Dr.med.Reinhard Gnauck
(Mitgl. im KV Rheingau-Taunus Kreis/Hessen)

Veröffentlicht in Kreisverband Rheingau Taunus.